Olympia | Links und Rechts der Seine
von Ewald Walker
Viel Begeisterung, aber auch kritische Stimmen sind vernehmbar, so auch von Catherine, meiner Gastgeberin, Angestellte bei einem großen Softwarekonzern und Dozentin an der berühmten Sorbonne-Universität. „Die Spiele sind ein Symbol für das Zusammenkommen vieler Nationen und Nationalitäten dieser Welt“, sagt sie zwischen Baguette und Croissant. „Die Stadt vibriert, wir erleben die Vielfalt des Sports“, zeigt sich die 59-Jährige angetan.
Mitten drin und doch (noch) nicht dabei – heißt es für sie nach einigen Tagen, sie hat noch keine Eintrittskarte. Die Preise liegen meist in utopischen Sphären. Als die Flamme am 14. Juli in die Stadt kam, hat sie sich inspirieren lassen. Den Anspruch, Olympische Spiele für die Bevölkerung zu machen, sieht sie damit infrage gestellt.
Unser Frühstücksgespräch mit Blick auf die Seine streift die Themen dieses Großereignisses: Die Sicherheit, den Verkehr, die Nachhaltigkeit und die große Anerkennung für die logistischen Leistungen. „Seit zwei Jahren erleben wir die Veränderungen in der Infrastruktur mit Straßen und Fahrradwegen“, schildert sie ihre Eindrücke, aber auch die unermüdlichen Reinigungsversuche der Seine, das große Profilierungsprojekt. Dazu zählt auch die Angst vor Anschlägen, wie sie direkt vor der Eröffnung auf den Zugstrecken im Land erfolgt sind. Negativ die Preissteigerungen bei Hotels und Zimmern sowie bei den Eintritsspreisen. Dass Kneipen und Gaststätten wegen der Sicherheitsmaßnahmen schließen mussten, auch Catherines Lieblingsrestaurant („Les Dessous de la Robe“) war eine Woche zu, selbst Anwohner Passierscheine brauchten, um in ihre Wohnungen zu kommen, findet sie nicht gut.
Positiv dagegegen sieht sie den Aspekt der Nachhaltigkeit. „Dass man die rund 3000 Wohnungen im Olympischen Dorf in soziale Wohnungen umwandelt, ist sehr positiv“, sagt Catherine.
Die Olympischen Spiele stellt sie deutlich über der Franzosen liebstes Kind, die Tour de France, deren Finale man in diesem Jahr wegen Olympia nach Nizza verlegt hatte. „Die Spiele sind diverser, internationaler als die Tour“, befindet sie.
„Jetzt werde ich doch noch hingehen“, hat sich Catherine von unserem Gespräch inspirieren lassen. Doch der Weg ins Stade de France (Kapazität 81.338 Zuschauer) zur Leichtathletik übers Ticketforum ist wenig vielversprechend. Fürs Zehnkampffinale mit Leo Neugebauer am Samstagabend kosten die Karten 690 bzw. 990 Euro. Das 100-Meter-Finale – natürlich ausgebucht. Weitsprung mit Malaika Mihambo am Donnerstrag steht von 324 bis 5431 Euro in der Liste („Das sind zwei Monatsmieten“). Eventuell bestehen noch geringe Chancen über die Rückgabe-Plattform. Vielleicht lässt sich die Enttäusschung mit einem Besuch beim Breakedance oder Skateboard (24 Euro für eine Stehplatzkarte) kompensieren. „Diese Preispolitik finde ich ungerecht“, sagt meine Gastgeberin, „damit kommen die Fans aus den Vororten, den sozial schwächeren Banlieues, nicht ins Stadion“. „Hätte gerne mehr live gesehen von diesen Olympischen Spielen, kann ich mir aber nicht leisten“, beschließt Catherine unser „olympisches“ Frühstück.