Stuttgart '93 - die beste WM aller Zeiten

  02.06.2021    WLV Top-News WLV 70 Jahre WLV
Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 1993 in Stuttgart waren und sind eines der größten Sportevents, das die Sportstadt Stuttgart jemals erlebt hat. Fraglich, ob es jemals etwas Vergleichbares in Stuttgart wieder zu erleben gibt. Allein dies ist Grund genug, der Leichtathletik-WM 1993 eine umfassende Widmung im Rahmen der virtuellen 70-Jahr-Feierlichkeiten des WLV einzuräumen.

Nach der Umstellung des Austragungsmodus der Leichtathletik-Weltmeisterschaften durch den Internatioanlen Leichtathletik-Verband IAAF auf einen Zweijahres-Rhythmus blieben den Stuttgarter Organisatoren nur knapp zwei Jahre Vorbereitungszeit. Wo sonst außer in Stuttgart konnte es gelingen, das nach den Olympischen Spielen in München und der Fußball-WM das drittgrößte Sportevent, das in der Bundesrepublik ausgetragen wurde, zu organisieren.

Die Weltmeisterschaften wurden von insgesamt 585.450 Zuschauern besucht – die höchste je erreichte Zuschauerzahl bei Leichtathletik-Weltmeisterschaften. Für „das große Zuschauerinteresse, die Fachkunde und Begeisterung des Publikums“ wurden die Besucher der Weltmeisterschaften mit dem Fairplay-Preis der UNESCO ausgezeichnet. Nicht nur die Sportler aus dem Gastgeberland wurden angefeuert wie bei vielen folgenden Weltmeisterschaften. Jeder Starter erntete Respekt und Beifall von den Rängen. Eine „La Ola“ ging unzählige Male durch die Reihen der Zuschauer.

1.689 Sportler aus 189 Nationen nahmen an der WM vom 13.-22. August 1993 teil, auch dies eine neue Rekordzahl. Stuttgart ist es in jeder Hinsicht nicht nur gelungen, an die vorhergehenden Weltmeisterschaften in Helsinki, Rom und Tokyo und anzuknüpfen, sondern auch, neue Maßstäbe zu setzen. „Während viele dachten, dass die Erfolge der WM von Tokyo nicht mehr übertroffen werden können, scheint Stuttgart das Unmögliche möglich gemacht zu haben, indem es eine Veranstaltung ausrichtete, die sicherlich das größte Leichtathletik-Erlebnis in der Geschichte war“, schrieb der damalige IAAF-Präsident Primo Nebiolo im Abschlussbericht zur WM 1993.

Stuttgart hat der Leichtathletik neue Perspektiven eröffnet. Auch deshalb, weil das Prinzip der "sauberen Leistung" von Zuschauern und Medien umfassende Anerkennung erfuhr. Athleten, die das Beste gegeben hatten und trotzdem das Finale oder den Endlauf verpasst hatten – sie wurden nicht länger als WM-Touristen verspottet. "Es gab bei dieser WM keine Verlierer.“ Dieses Fazit zog nach der Schlussfeier der Präsident des Organisationskomitees, Prof. Dr. August Kirsch. Die Zuschauer hatten jeden einzelnen Gewinner oder Verlierer, Helden oder Unglücklichen nicht ohne ein riesiges Kompliment aus dem Stadion verabschiedet – sie ließen nicht nur die Sieger hochleben. Minutenlang feierten sie Sprinterin Merlene Ottey, die das Fotofinish gegen Gail Devers um eine Tausendstelsekunde verlor. Sie bejubelten den großen Carl Lewis, der im Spätherbst seiner Karriere als Dritter über 200 Meter ins Ziel kam. Sie trieben die deutsche 4 x 400-Meter-Staffel zur unerwarteten Bronzemedaille und harrten bis spät in der Nacht aus, um zu applaudieren, als Zehnkämpfer Paul Meier Bronze umgehängt bekam. Aber es hallten auch Pfiffe von den Rängen, als die unter Dopingverdacht geratenen chinesischen Läuferinnen gleich sechs Medaillen abräumten.

Die WM in Stuttgart war auch die WM der Leichtathletik-Legenden. Carl Lewis, Frank Fredericks, Michael JohnsonNoureddine MorceliHaile GebrselassieColin JacksonJavier SotomayorSergej BubkaMike PowellLars RiedelJan ŽeleznyDan O’BrienGail DeversMerlene OtteyMaria MutolaSally GunnellHeike DrechslerJackie Joyner-Kersee, die Liste der großen Namen ließe sich noch lange fortsetzen.

Aber ein Ereignis wie die Leichtathletik-WM 1993 ist auch unwiederbringlich: Die Macher der einstigen Sporthauptstadt schafften es nie, Stuttgart auf Dauer als Leichtathletik-Standort zu halten. Inzwischen rollt nur noch der Ball in der Arena: Die Laufbahn ist herausgerissen, die WM nur noch wunderschöne Erinnerung.

Legen wir los! Freut euch mit uns auf historische Stimmen, viele Bilder und Menschen, die 1993 mit dabei waren und heute noch von den Erlebnissen träumen und gerne darüber berichten. Wir schwelgen schon selbst wieder mit unseren Gedanken im August des Jahres 1993…Gänsehaut pur. Einfach: Leichtathletik-LIEBE. 


Highlight-Videos

Nochmals WM’93-Atmosphäre genießen mit den Videos von Colin Jacksons 110 Meter Hürden-Weltrekord, dem Sieg von Heike Drechsler im Weitsprung und dem 100 Meter Finale der Frauen (Link zur ARD Sportschau-Seite).


Das offizielle Erinnerungsvideo des DLV

Nochmals 45 Minuten lang WM-Luft schnuppern. Das offizielle Erinnerungsvideo des Deutschen Leichtathletik-Verbandes mit einem Vorwort von DLV-Lauftreffwart Friedemann Haule zeigte Ausschnitte aus der Eröffnungsfeier mit dem Einlauf der Sternläufer in das Gottlieb-Daimler-Stadion, den Marathonwettbewerb der Männer und Frauen sowie Highlights verschiedener Wettbewerbe.


Sechs WLV-ler waren im DLV-Team für Stuttgart

Nicht ganz so groß wie erhofft und erwartet fiel das Kontingent der WLV-Athletinnen und -Athleten im DLV-Dress aus. Dieter Baumann, Olympiasieger 1992 und Aushängeschild der württembergischen Leichtathletik musste schon im März passen und eine ganze Reihe bekannter Namen wie beispielsweise Hindernisläufer Patriz Ilg, Zehnkämpfer Siggi Wentz, Sprinterin Heidi-Elke Gaugel oder 800 Meter-Läufer Peter Braun, die bei der EM 1986 die württembergischen Fahnen hochhielten, waren zwischenzeitlich nicht mehr aktiv. Der Stimmung im Stadion tat dies aber keinen Abbruch und die Bilanz der sechs WM-Starter des WLV konnte sich durchaus sehen lassen.

Hier ihre Ergebnisse: 

  • Martin Amann (LG VfB/Kickers Stuttgart) 10. Platz Stabhochsprung Vorkampf mit 5,55 Meter
  • Kim Bauermeister (LG Filder) 8. Platz 3.000 Meter Hindernis, Vorlauf in 8:37,41 Minuten
  • Stephane Franke (LG Salamander Kornwestheim) 4. Platz Finale 10.000 Meter in 28:10,69 Minuten
  • Werner Holl (LG VfB/Kickers Stuttgart) 18. Platz Stabhochsprung Vorkampf mit 5,25 Meter
  • Michael Kohnle (Turnerschaft Göppingen) 9. Platz Zehnkampf mit 8.075 Punkten
  • Sabine Zwiener (LG VfB/Kickers Stuttgart) 7. Platz Zwischenlauf über 800 Meter in 2:00,77 Minuten

Die kompletten Ergebnisse der Leichtathletik-WM 1993 können hier nachgelesen werden:
» Ergebnisse der Männer
» Ergebnisse der Frauen

Hier lesen Sie die Erinnerungen von Sabine Zwiener und Michael Kohnle an die Leichtathletik-WM ‘93 in Stuttgart:


Viele Württemberger stemmten die WM hinter den Kulissen

Voller Einsatz wurde von den vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern des WLV gefordert. Galt es doch, nicht nur die Wettkämpfe im Gottlieb-Daimler-Stadion vor den Augen der Welt vorbildlich abzuwickeln, sondern auch noch das umfangreiche Rahmenprogramm und das ganze Drumherum zur Zufriedenheit der Gäste aus aller Welt zum Laufen zu bringen. Da gab es zum Beispiel den Sternlauf zur Eröffnungsfeier der WM zu organisieren, die Abnahme des Mehrkampfabzeichens für Jedermann im Stadion Festwiese, den Breuninger-Jugendsport-Club, den WM-Volkslauf, das WLV-Schülerlager in Fellbach, das WM-Jugendlager in Renningen, das WM-Mehrkampflager in Tailfingen, die Trimm-Spiele der Schulen, den WM-Fotowettbewerb, den WLV-Leichtathletik-Treff im Sporthotel neben dem Gottlieb-Daimler-Stadion (heute das Haus der Athleten), das Treffen der ehemaligen WLV-Spitzenathleten und noch vieles mehr. „Die Leichtathletik hat auf dem Land und an der Basis viel gewonnen“ war die Fazit von WLV-Präsident Karl Mangold, und weiter: „Es ist uns gelungen, aus Brotkrümeln einen Kuchen zu backen, welcher zumindest den WLV-Mitgliedern gut eschmeckt hat.“

In die Organisation der Sporttechnik haben von WLV-Seite Tilman Bertsch (Straßenwettbewerbe), Peter Betten (Informationsregie), Hans Dieter Wagler (Mitarbeiterbetreuung) sowie die zwischenzeitlich verstorbenen Hans Joos (Wettkampf-/Aufwärmplätze), Fritz Weber (Geräte/Trainingsstätten) und Harold Gähr (Wettkampfbüro) ihr Knowhow eingebracht. Hauptamtliche Mitarbeiter im Organisationsbüro waren der heutige Leitende Landestrainer der Leichtathletik Baden-Württemberg gGmbH Christian Hummel im Ressort Patenschaftsprogramm sowie der heutige WLV-Geschäftsführer Gerhard Müller im Ressort Sporttechnik. Darüber hinaus waren der heutige Vorsitzende des WLV-Kreises Göppingen, Thomas Mürder (damals Landespolizeidirektion II) als Stellvertreter des WM-Sicherheitschefs sehr eng in die WM 1993 involviert ebenso wie sein Vorgänger als Kreisvorsitzender, Uwe Seyfang. Er hatte im Rahmen der WM für seinen damaligen Arbeitgeber Daimler die besondere Aufgabe übernommen, die Siegprämie der frischgebackenen Weltmeister in Form einer Mercedes C-Klasse an die Frau bzw. den Mann zu bringen.

Lesen Sie die Erinnerungen einiger Mitarbeiter an die Zeit der Leichtathletik-WM 1993:


Die ganze Geschichte der Leichtathletik-WM 1993....

…. nachzulesen im Jahrbuch des WLV 1993 (Stuttgarter WM-Skizzen von Dr. Hanspeter Sturm) und im WLV vor Ort, Ausgabe 9/10-1993 (u.a. mit dem WM-Tagebuch von Ursula Kaiser)


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